Rund um den Glockenturm Oktober/November 2024

9 anerinnen und Petrianer konnte über viele Jahre nicht Weihnachten oder Ostern werden, ehe sie nicht die Frohe Botschaft aus dem Munde von Jutta Wieters-Schrader vernommen hatten. Unterstützend an ihrer Seite seit den späten Sechziger Jahren ihr Mann Wolf, der ursprünglich als Referendar in ihre Obhut als Anleiterin gekommen war. Sie wurden rasch ein Paar und heiraten 1971 standesamtlich. Den kirchlichen Segen für ihre Verbindung ließen die beiden sich erst nach gut vier Jahrzehnten Ehe in einer bescheidenen Zeremonie in der Martinskapelle von St. Petri erteilen. Auf engere Tuchfühlung mit dem Hospital zum Heiligen Geist geriet Jutta Wieters-Schrader nach ihrer Wahl zur Oberalten im Jahr 1994. Sie blieb rund 18 Jahre Mitglied des Kollegiums und übernahm Verantwortung, als sich dieses Gremium einer veritablen Leitungskrise ausgesetzt sah. 2007 wurde sie als erste Frau in der fast fünfhundertjährigen Geschichte der Oberalten zur Vicepräses gewählt. Sie stellte gemeinsam mit dem damaligen Präses Dr. Biskup die Weichen für eine behutsame Modernisierung der Gouvernance-Strukturen der Stiftung und erkannte früher als andere die Chancen, die sich für das Hospital mit dem Ausbau des »Wohnens mit Service« ergaben. Der erste Wohnungsneubau der Stiftung nach mehr als drei Jahrzehnten Stillstand trägt daher auch ihre Handschrift: das Gebäude an der Grevenau gilt heute als Pionierleistung für die Vision einer grundlegenden Restrukturierung der Gebäudesubstanz der Stiftung. Jutta Wieters-Schrader war von dem Konzept dieser Wohnform so überzeugt, dass sie und ihr Mann sich entschlossen, selbst in die neugeschaffene Residenz einzuziehen. So tauschte sie ihren bisherigen Lebensmittelpunkt in einem schmucken Reihenhäuschen in Groß Borstel ein gegen eine kleinere, aber geräumige Dachgeschosswohnung am Alsterlauf, um die viele sie beneideten. Wer glaubte, dass Jutta Wieters-Schrader sich damit bequemen würde, ihren letzten Lebensabschnitt in ihrem »Penthouse an der Grevenau« zurückgezogen zu genießen, täuschte sich gewaltig: Für die 2017 neu errichtete Heilig-Geist-Kapelle organisierte sie im Handumdrehen ein Team aus ehrenamtlichen Kapellenhüterinnen, um das neue geistliche Zentrum allen Interessierten zugänglich machen zu können. Sie gestaltete zusammen mit ihrem Mann die Nachbarschaft im »Wohnen mit Service« und sorgte bis zuletzt dafür, dass die Wünsche der Mieterschaft in Vorstand und Oberaltenkollegium auch Gehör fanden. Daneben gab es aber auch eine andere, unauffälligere Facette dieses engagierten Lebens: Jutta Wieters-Schrader war großzügig, charmant und gesellig. Eine überaus empathische Gesprächspartnerin, selbst bei schwierigsten Themen, nicht selten bei einer genüsslich inhalierten Pausen-​ Zigarette oder einem Gläschen Wein. Eine überaus zuvorkommende Gastgeberin, auch in ihrem neuen Domizil an der Grevenau, in das sie ihren Freundeskreis einlud und dabei ganz en passant Werbung für das Leben im Hospital machte. Bei aller Wertschätzung für die hohe Liturgie praktizierte sie in ihrem Alltag eine erfrischend pragmatische Frömmigkeit. Das durfte ich selbst bei einer gemeinsamen Fahrt zu einer Tagung der Oberalten erleben: Als ich deutlich verspätet am verabredeten Treffpunkt ankam und um Verzeihung bitten wollte, dass wir nun ganz sicher nicht mehr rechtzeitig ankommen würden, winkte sie lässig ab und sagte bestimmt: »Lass’ mal. Was sind denn schon fünfzehn Minuten in Gottes großem Heilsplan?“, trat aufs Gaspedal und rauschte mit hoher Geschwindigkeit über die Landstraße Richtung Zielort. Am Ende kamen wir so rechtzeitig an, dass sie als Vicepräses die übrigen Oberalten noch formvollendet in Empfang nehmen konnte. Jutta Wieters-Schrader starb am 7. Juli 2024 an den Folgen einer kurzen, schweren Krebserkrankung. Ihre klare Stimme und ihre große Erfahrung, ihre beredte Klugheit, ihre unnachahmliche Beharrlichkeit und ihre unverwechselbare Herzenswärme werden wir sehr vermissen. Dr. Bernd Struß, Gemeindeältester St. Petri und Mitglied des Kollegiums der Oberalten

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