Rund um den Glockenturm Oktober/November 2024

Rund um den Glockenturm · Oktober / November 2024 8 Nachruf Jutta Wieters-Schrader (1937 – 2024) »Ja, so geht das Schicksal. Lieber aber formuliere ich es so: ich bin bereit, nach 87 Jahren eines mir von Gott gegebenen und guten, erfüllten Leben auch das Ende zu akzeptieren.« Das schrieb Jutta Wieters-Schrader wenige Tage vor ihrem Tod – sie bezeugen viel Wahres über das Leben und Wirken der Verstorbenen in fast neun vollendeten Lebensjahrzehnten: sie war ihrem Schicksal nie einfach nur ergeben, sondern bis zuletzt und im Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit stets klug räsonierend, selbstbewusst entscheidend und: gestaltend. Begabt mit einem starken Willen und ausgestattet mit einem wachen, aufgeklärten Geist, der die kritische Zwiesprache niemals scheute. Wer das Glück hatte, Jutta Wieters-Schrader in ihrem Engagement für die gute Sache zu erleben, der konnte sie ebenso erleben: als eloquente Kämpferin für die eigene, wohlabgewogene Position, am Ende aber immer auch streitbare Anwältin für den mühsam errungenen, aber demokratisch legitimierten Kompromiss. Wenig war ihr so sehr verhasst, wie einsame Entscheidungen autoritärer Würdenträger in Staat, in Gesellschaft und vor allem: in ihrer Kirche, einer im besten Sinne des Wortes protestantischen Kirche, die sich demokratisch organisiert und weiterentwickelt. Hineingeboren in eine grausam unmenschliche Zeit, wie sie für Heranwachsende bedrückender wohl kaum hätte sein können, war für sie der frühe Tod ihres Vaters, eines Theologen, der sich dem oppositionellen Pfarrernotbund zuordnete und aus dem Krieg nicht mehr lebend zurückkehrte, wohl in vielerlei Hinsicht prägend. Sie wuchs mit ihren Geschwistern in den Trümmern ihrer Heimatstadt als Halbwaise auf. Die junge Jutta Schrader gehörte zur Generation jener kriegsgezeichneten Hamburgerinnen und Hamburger, die in den verworrenen und vielfach improvisierten Anfängen der Nachkriegszeit durch die Bindung an Glauben und an die Kirche existenziellen Halt fanden – und die ihre Zufluchtsstätten selbstbestimmt gestalten wollten. Zum Dreh- und Angelpunkt ihres ehrenamtlichen Wirkens wurde ihr rasch St. Petri, jene Hauptkirche im Herzen der Stadt, die wie durch ein Wunder im Bombenhagel von allen Gotteshäusern noch am wenigsten beschädigt worden war. Diesem Ort blieb sie über acht Jahrzehnte durch alle Höhen und Tiefen auf Engste verbunden. Sie engagierte sich zunächst als Chorsängerin, war Gründungsmitglied der Kantorei St. Petri. Nach dem Studium und dem anschließenden Einstieg in den Schuldienst stieg sie als passionierte Pädagogin rasch zur Schulleiterin und Oberstudiendirektorin auf. 1978 wurde sie erstmals in den Kirchenvorstand St. Petri gewählt. Ihr vielfältiges und stets zupackendes Engagement für die Hauptkirche verdient eine gesonderte Würdigung und würde hier den Rahmen sprengen. Ihr besonderes Augenmerk galt hier neben der Kirchenmusik stets dem evangelischen Gottesdienst in seiner liturgisch reichsten Form, wie sie an St. Petri bis heute liebevoll gepflegt wird. Sie selbst wirkte daran bis kurz vor ihrem Lebensende aktiv als gestaltungsreiche Lektorin mit. Für etliche Petri-

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